Ilse Helbich
… Und einmal, es ist noch nicht lange her, sitzt sie abends wieder auf ihrer weissen Bank und schaut über das Wiesengrün auf ihr Haus, wie es so in sich ruhend liegt in seiner leuchtenden Stille. Da weiss sie auf einmal: das Haus hat seinem langen Leben nie so ausgesehen, wie es sie jetzt ansieht. Damals, als sie hierher kam, hat sie das verlassene Haus, den verkommenen Garten angeschaut, hat ihnen zugehört, hat später vorsichtig, vorsichtig, alles getan, um ihre Schönheit von allen Verunstaltungen zu befreien. Sie wollte dem Haus sein eigenes Leben zurückgeben.
Dabei hat sie ihm alles geschenkt, was sie selber an lebendiger Kraft und, ja, an schimmernder Harmonie, ohne es zu wissen, in sich trug. Was sie wohl anderswo nicht ausleben konnte, hat sie ins Haus gegeben, und den Garten zu einem Stück ihrer selbst gemacht… oder ins Werden geholfen, so ist es besser gesagt, denkt sie jetzt. Das Haus, wie es da steht, ist ihr Haus gerade so, wie es aus seiner eigenen leisen Macht lebt.
Ein Spiegel ihrer Selbst. So kann sie dieses Haus, dieser Garten jeden Tag daran erinnern, was sie in ihrem verborgensten Sein ist, eben darum kann es sie oft aufrichten und manchmal trösten. …
Ilse Helbich „Das Haus“